Verblüffend: Warum ein Neuseeland-Apfel klimaschonender sein kann als ein heimischer

Von essenzielles
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Vielleicht denken Sie bei der Überschrift “Kann nicht sein. Werden Äpfel vom anderen Ende der Welt tausende Kilometer zu uns gekarrt, MÜSSEN sie eine schlechtere Ökobilanz haben.“ Aber so einfach ist das leider nicht. Der heimische Apfel kann, muss jedoch nicht nachhaltiger sein als der neuseeländische. Aufgrund einiger Anfragen von interessierten LeserInnen nach unserem Beitrag „Nachhaltig und günstig genießen – mit diesen 6 Tipps gelingt’s“, sind wir dieser kniffligen Frage auf den Grund gegangen.

Nachhaltig ist, was gerade Saison hat

Eine Grundregel für nachhaltigen Genuss lautet „saisonal und regional schlemmen“. Ist ja naheliegend, dass ein Apfel aus Österreich, von Spätsommer bis Herbst – also unserer Haupterntesaison – einen kleineren CO2-Fußabdruck hat als der, der in dieser Zeit aus Übersee kommt.

Da kaum jemand zur Apfelerntezeit zig Kilogramm Äpfel kauft und dann im kühlen, dunklen Keller lagert, sieht diese Rechnung im Spät-Winter und Frühjahr etwas anders aus.

Damit ein heimischer Apfel ab Februar noch so frisch und knackig schmeckt wie im September muss er nämlich monatelang in speziellen CA-Lagern mit gesteuerter Atmosphäre (CA = controlled atmosphere) energieaufwändig gelagert werden.

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Stimmt es, dass den Äpfeln auch ein Gas zugesetzt wird?

In der EU und der Schweiz ist es auch erlaubt, den (Über)Reifeprozess der Äpfel mithilfe von Methylcyclopropen (MCP) zu verzögern. Das Gas blockiert Ethylen, das im Apfel für den Reifeprozess verantwortlich ist. Beim Einkauf ist es aber leider nicht erkennbar (weil keine Kennzeichnungspflicht besteht), ob der Apfel derartig behandelt wurde – außer man greift zur Bio-Qualität, denn für Bio-Obst ist MCP in der Lagerung verboten. Das Gas gilt zwar nicht als gesundheitsschädlich, allerdings kann der Konsument das Alter der Frucht nicht einschätzen. So werden Sie nicht erkennen ob der Apfel erst zwei Wochen oder zwei Jahre alt ist. Trotzdem „altert“ der Apfel z. B. werden Vitamine weiter abgebaut.


Die Qual der Wahl am Obstregal

Geht es Ihnen auch so? Sie stehen im Februar, vielleicht sogar im März/April vor dem Obstregal und dort gibt es fünferlei Äpfel. Ihr ökologisches Gewissen lässt Sie zögern, zu welchem Sie nun greifen sollen, um eine möglichst nachhaltige Wahl zu treffen.

Es ist bei uns gerade Winter und folgende fünf Apfelsorten stehen zur Wahl:

  • Konventionelle Äpfel aus Österreich
  • Konventionelle Äpfel (nicht heimisch)
  • Bio-Äpfel aus Österreich
  • Bio-Äpfel aus Italien
  • Bio-Äpfel aus Spanien

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Unsere Reihung sieht wie folgt aus:

Button NewsletteranmeldungPlatz 1 – ex aequo: Bio-Äpfel aus Österreich UND Bio-Äpfel aus Italien

“Bio-Äpfel aus Österreich” auf Platz 1 gilt für Wiener, die einen steirischen, niederösterreichischen oder burgenländischen Apfel zur Wahl haben. ABER: Bio-Äpfel aus Italien sind ökologisch sinnvoller für alle, die in westlichen Bundesländern wohnen, weil der Transportweg kürzer ist. Zumal italienische Äpfel überwiegend aus dem benachbarten Südtirol kommen. Denn „bio“ (Ressourcenschonung während der Produktion) schlägt „regional“ (eingesparte Transportkilometer).

Denn heimisch ist nicht gleich heimisch, es kommt darauf an, wo Sie leben. Alle Grenz-Bundesländer haben hier durchaus kurze Wege in die Nachbarländer. Kurz gesagt: Je näher, umso besser, wenn man ansonsten idente Produkte – also z. B. Bio-Äpfel mit Bio-Äpfeln – vergleicht.

Das Argument der Unterstützung der heimischen Wirtschaft und das Vertrauen in österreichische Produkte sind für ganz viele ÖsterreicherInnen – wie auch für uns – sehr wichtig. Ehrlicherweise ist es aber nicht immer die umweltschonendere Entscheidung.

Platz 3: Konventionelle Äpfel aus Österreich

Wahrscheinlich wird es hier sogar mehrere Sorten geben. Um unter den konventionellen Äpfel die richtige Wahl treffen zu können, müssten Sie streng genommen noch unterscheiden, ob für die Lagerhallen fossile oder erneuerbare Energiequellen genutzt werden. Da man aber dazu am Regal oder dem Produkt keine Hinweise findet, kann dies nicht in die Entscheidung miteinfließen.

Platz 4: Bio-Äpfel aus Spanien

Wir haben zwar oben geschrieben, dass „bio“ „regional“ schlägt, da aber Spanien stets unter verheerender Wasserknappheit leidet, kann hier von Ressourcenschonung keine Rede sein. Käme der Bio-Apfel allerdings aus Chile oder Neuseeland, wo gerade Apfelsaison ist, wäre dieser trotz Transport-Marathon dem heimischen Apfel aus konventionellem Anbau vorzuziehen.

Platz 5: Nicht heimische Äpfel (konventionell)

Vor allem konventionelle Produkte aus Übersee wie z. B. Neuseeland haben zusätzlich zu den ungünstigeren Produktionsbedingungen einen langen Transportweg hinter sich.

Apfel_nachhaltig1Alles zu kompliziert? So essen wir Obst im Winter und Frühjahr

Unser Ideal-Szenario wäre, im Oktober heimische Bio-Äpfel zu kaufen und einzulagern, um die CO2-Bilanz niedrig zu halten. Da in unseren Kellern aber keine Ideal-Temperaturen von ein bis zwei Grad herrschen, ist das leider keine Option.

Daher kaufen wir von März bis Juni nur mehr hin und wieder Äpfel, wenn der Gusto gar zu groß wird. Dann greifen wir sogar zum Bio-Apfel aus Neuseeland (Gleiches gilt für Birnen). Denn da haben heimische Äpfel aufgrund der langen Lagerung (auch wenn sie bio sind) einfach eine schlechtere CO2-Bilanz.

Apfel zum Löffeln

Am liebsten ist uns jetzt im Winter aber Bio-Apfelmus ohne Zuckerzusatz aus dem Glas. Da wissen wir, dass es erntefrisch verarbeitet wurde. Kann man natürlich vom eigenen Apfelbaum auch selbst einkochen. Es schmeckt herrlich zum Topfensoufflee, in den warmen Frühstücks-Porridge, in ein griechisches Naturjoghurt gerührt oder einfach statt einem Apfel genüsslich gelöffelt.

Ab Juni beißen wir bis zur nächsten Ernte in keinen Apfel mehr, sondern schlemmen bereits wieder unser regionales und saisonales Bio-Obst: beginnend mit frischen Erdbeeren und Kirschen, über Marillen, Himbeeren, Pfirsiche, Zwetschken, die dann überreichlich vorhanden sind. Hmmmm….

Apfel_nachhaltig5Unser essenzielles Resümee

Ziemliches komplexes Thema! Wer saisonal und regional einkauft und Bio-Qualität bevorzugt, macht vieles richtig. Obst und Gemüse aus Übersee aber generell zu verdammen, muss nicht sein. Denn unter Umständen weisen sie sogar eine bessere CO2-Bilanz auf als heimisches. Das gilt vor allem für Bio-Äpfel der ersten Jahreshälfte. Wem Nachhaltigkeit aber ein wirkliches Anliegen ist, der verzichtet im Winter gänzlich darauf, in einen Apfel zu beißen.

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