Superfett Kokosöl – ist es wirklich so gesund?

Von essenzielles
Kokosnuss

Dem aktuellen Hype nach zu schließen, muss Kokosöl bzw. -fett ein wahrer Alleskönner sein. Es soll spröden Haaren Glanz verleihen und trockene Haut geschmeidig machen. Vor nicht allzu langer Zeit haben es auch Gesundheitsfans für sich entdeckt. Dem vermeintlichen „Superfett“ werden zahlreiche Wunderwirkungen zugeschrieben. Und nicht zuletzt wird es als ökologisch unbedenkliche Alternative zu Palmöl gelobt. Warum Sie dennoch besser zu Raps- oder Walnussöl greifen sollten, erfahren Sie hier.

Praktisch und einst billig

Die Kinder der 1960er- und 1970er-Jahre assoziieren mit Kokosfett vermutlich einen weißen Ziegel, der selbst bei Zimmertemperatur dank zusätzlicher Härtung steinhart blieb.

Anno dazumal diente es unseren Müttern und Großmüttern zum Einfetten ihrer Backbleche. Die Bleche wurden im Rohr vorgewärmt, wodurch der Ziegel beim Einreiben zu schmelzen begann. Außerdem war es ein billiger und hoch erhitzbarer Ersatz für teures Butterschmalz – zum Herausbacken des geliebten Sonntag-Schnitzels und anderer Fettigkeiten.

Vom Ersatzprodukt zum Modefett

Heute ist cremig weißes Kokosöl in der Küche ein echter Trend. Wie ein tropischer Wirbelsturm ist es in die Supermarktregale gebraust und hat längst sein Billig-Image abgelegt.

Dank seines angenehmen Aromas frischer Kokosnüsse bringt es Urlaubsfeeling in die Küche. Der Duft asiatischer Currys und exotischer Desserts, die mit Kokosöl zubereitet werden, weckt die Sehnsucht nach einer Hängematte am weißen Strand mit türkisblauem Meer.

Je nach Raum­temperatur kann Kokosöl flüssig bis cremig oder – steht es im Kühlschrank – gar fest sein. Der Schmelzpunkt liegt bei ca. 25°C.

Besonders gerne wird es zum Backen und Braten verwendet. Da es beim Erhitzen zum Schäumen und Rauchen neigt, sollte es beim Backen und Braten nur kurz und nicht zu hoch (bis ca. 200 °C) erhitzt werden. Zum Anbraten von Wok- und Pfannengerichten kann es aber durchaus verwendet werden. Dass es in Bezug auf Hitze relativ hart im Nehmen ist, verdankt es seinem hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren, die rund 90 % seiner Fettfraktion ausmachen.

KokosoelMehr gesättigte Fettsäuren als Butter und Schmalz

Aber genau diese gesättigten Fettsäuren sind es, über die sich – wie jene in Butter und Schmalz – das Herz und die Gefäße die Haare raufen. Denn sie erhöhen den Cholesterinspiegel, genauer gesagt das „böse“ LDL-Cholesterin, das in den Arterien lauert und diese verengt.

Obwohl einige jüngere Studien die negative Wirkung von gesättigten Fettsäuren in Frage stellten, empfehlen renommierte (Inter)Nationale Fachgesellschaften nach wie vor, diese Fettsäuren auf unter 10 % der täglichen Energiezufuhr zu beschränken.

Und nachdem auch Fleisch, Wurst und Käse jede Menge gesättigte Fettsäuren im Gepäck haben, empfiehlt z. B. die Österreichische Gesellschaft für Ernährung einen Ölwechsel in Richtung pflanzlicher Fette mit einem hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren: z. B. Raps- und Walnussöl. Kokosöl sucht man in den Empfehlungen vergeblich.

Kein Wunder, beim Blick in die Nährwerttabelle wird offenkundig, dass Kokosfett sogar mehr als doppelt so viel als Schweineschmalz und 62 % mehr als Butter dieser weniger erwünschten Fettsäuren liefert. Deshalb werden Kokos- und Palmfett von Ernährungswissenschaftern in einem Atemzug mit Fetten genannt, die auf der „lieber-weniger-davon“-Liste stehen.

FS-Zusammensetzung verschiedener FetteQuelle: Souci-Fachmann-Kraut: Die Zusammensetzung der Lebensmittel 2008, Die große Wahrburg/Egert Kalorien- & Nährwerttabelle 2009

Gesundheitliche Vorteile von MCT-Fetten vernachlässigbar

Ein Unterschied zwischen Kokosöl und tierischen Fetten besteht allerdings in der Struktur der Fettsäureketten. Der Anteil an sogenannten mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Fetten) ist höher als in Butter.

MCTs werden anders, nämlich schneller, ins Blut aufgenommen und ab- bzw. umgebaut oder zur Energiegewinnung herangezogen. Davon profitieren allerdings hauptsächlich Menschen, die Probleme mit der Fettverdauung haben (z. B. nach Entfernung der Gallenblase).

Außerdem dürften sie den Cholesterinspiegel nicht so stark ansteigen lassen wie die langkettigen gesättigten Fettsäuren. Doch allein diese Tatsache macht Kokosfett nicht besser für Ihr Herz.

Kokosöl kann nicht beim Abnehmen helfen

In Bezug auf Gewichtsreduktion wurden MCT-reiche Fette Anfang dieses Jahrtausends als die Fettsensation schlechthin gehandelt. Denn sie haben im Vergleich zu langkettigen Fettsäuren einen zehn Prozent niedrigeren Energiegehalt und bei ihrer Verwertung wird mehr Wärme produziert als bei anderen Fettsäuren.

Ihnen wird auch nachgesagt, dass sie länger satt machen und so eventuell noch zusätzlich beim Abnehmen helfen. Allerdings sind diese Effekte nur sehr kurzfristig und die Kalorienersparnis ist bei der empfohlenen Fettmenge zu vernachlässigen.

Es ist also alles rund um MCTs noch zu spekulativ [1, 2], um daraus konkrete gesundheitliche Empfehlungen ableiten zu können. Nach aktueller Studienlage ist nicht davon auszugehen, dass ein höherer Prozentsatz von MCTs in der Ernährung langfristig die Gewichtsabnahme relevant verbessert [3].

Der Effekt ist zudem dadurch limitiert, dass MCTs in größeren Mengen aufgenommen zu Aufruhr im Magen-Darm-Trakt führen können.

KokosnussWirkung gegen Alzheimer nicht belegt

Bei Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen sollen MCTs Vorteile für das Gehirn bieten. In einer Studie [4] konnte bei einigen Patienten mit Alzheimer eine verbesserte Gedächtnisleistung nach der Einnahme von nativem Kokosöl beobachtet werden.

Diese Studie zeigt aber einige methodische Mängel und wurde zudem nur an insgesamt 44 Patienten durchgeführt. Deshalb dürfen daraus keine voreiligen Schlüsse gezogen und unerfüllbare Hoffnungen geweckt werden.

Die Wissenschafter von medizin-transparent kommen nach einer ausführlichen Literatur-Analyse zu folgendem Schluss: Ob die Einnahme von Kokosöl die geistigen Fähigkeiten bei einer Demenz wie Alzheimer verbessert, ist nicht (ausreichend) erforscht [5].

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Besser zu Raps- oder Walnussöl greifen

Im Vergleich zu anderen Pflanzenölen schneidet Kokosöl in Bezug auf das Fettsäuremuster wesentlich schlechter ab. Raps-, Walnuss- oder Leinöl lassen Ihr Herz mit Gewissheit höher schlagen. Durch ihren hohen Anteil an essenziellen, mehrfach ungesättigten Omega-3- und -6-Fettsäuren und ihres vergleichsweise niedrigen Gehalts an gesättigten Fettsäuren sind sie Balsam für Herz und Gefäße.

Auch in Bezug auf das zellschützende, antioxidativ wirkende Vitamin E haben heimische Öle die Nase vorn. So liefert Rapsöl zehn Mal mehr und Sonnenblumenöl mehr als die 30-fache Menge an diesem fettlöslichen Vitamin.


Natives Kokosöl in Bioqualität bevorzugen

Zur Gewinnung des „bekannten“ Kokosfetts sowie des „neuen“ Kokosöls wird das zerkleinerte und getrocknete Fruchtfleisch der Kokosnuss, Kopra genannt, in Ölmühlen ausgepresst.

Bei konventionellem Kokosöl kommen chemische Lösungs- und Reinigungsmittel zum Einsatz. Denn das Öl wird gebleicht, gereinigt (raffiniert) und unerwünschte Geruchs- und Geschmacksstoffe werden entfernt (desodoriert). Kokosfett wird vielfach noch zusätzlich gehärtet.

Chemische Hilfsmittel sind bei der Herstellung von nativem Kokosöl und bei solchem aus Bio-Anbau nicht erlaubt. Es wird schonend aus dem Fruchtfleisch gepresst und danach nicht weiter aufbereitet.

Ökotest hat im Frühjahr 2017 bei Kokosmilch, Kokosraspeln und Kokosöl ganz genau hingeschaut und auf Schadstoff-Rückstände untersucht. Die Tester wurden in jedem zweiten Produkt fündig: Mineralöl, Weichmacher und Chlorat veranlassten teilweise zur Vergabe des Prädikats „ungenügend“. Wobei auch „sehr gut“ und „gut“ vergeben wurden. Bio-Produkte schnitten tendenziell besser ab.


Ökologisch ähnlich bedenklich wie Palmöl

Kokosöl wird in Bezug auf ökologische Aspekte oft als die bessere Alternative zu Palmfett dargestellt. Man könnte fast sagen, dass Kokosöl seinen guten Ruf sogar dem schlechten Image von Palmöl verdankt.

Natürlich stößt es uns als umweltbewussten Konsumenten bitter auf, dass in Indonesien und Malaysia, den Hauptanbaugebieten von Palmöl, in den vergangenen Jahren unzählige Hektar Regenwald und eine Vielzahl an Tieren verloren gingen, um Anbauflächen zu gewinnen.

Würde man aber alle Ölpalmen durch Kokospalmen ersetzen, wären noch weitaus größere Regenwaldverluste zu betrauern. So wäre das Fettproblem nicht gelöst, sondern würde sich nur verlagern und teilweise sogar verschlimmern.

KokosplantagenPalmöl liefert pro Hektar 5 x mehr Ertrag

Palmöl ist im Vergleich zu Kokosöl und anderen Pflanzenölen recht bescheiden in Bezug auf Flächenanspruch (siehe Abbildung). Es bringt pro Hektar Landfläche den meisten Ölertrag. Deshalb warnt sogar der WWF in seiner Studie „Auf der Ölspur – Berechnungen zu einer palmölfreieren Welt“ ausdrücklich vor einem Palmöl-Boykott [6]. Zu groß sei die Gefahr, dass durch einen Schwenk noch mehr Natur zerstört werde.

Abbildung: Globale Ölerträge der Pflanzen im Vergleich, Ölerträge in Tonnen pro Hektar (t/ha)

Oelertraege im vergleichQuelle: WWF 2016. Auf der Ölspur – Berechnungen zu einer palmölfreieren Welt

Wer das Palm(en)öl-Problem lösen will, muss die Nachfrage senken. Wie das geht, erfährt man in unserem Buch QuintESSENz.

Unser essenzielles Resümee

Mit seinem angenehm süßlichen Geschmack und Geruch kann Kokosöl den Kochalltag zweifelsohne bereichern. Gesundheitliche Vorteile dürfen Sie sich trotz MCT-Anteil von dem vermeintlichen Superfett aber nicht erwarten. Im Gegenteil: Es ist möglicherweise ein Widersacher in Bezug auf Ihre Herzgesundheit. Zum Schutz der grünen Lungen unseres Planeten empfiehlt sich sparsamer Umgang mit allen weit gereisten Fetten.

Wie so oft gilt: Wer es mit dem Verzehr von Kokosöl nicht übertreibt, hat nichts zu befürchten. Falls es unbedingt Kokosöl sein muss, empfehlen wir Ihnen, ein paar Euro mehr in die Hand zu nehmen und natives Kokosöl in Bioqualität zu kaufen. Bevorzugen Sie trotzdem zum Kochen und für den Salat heimische Öle wie Raps-, Sonnenblumen- oder Walnussöl.

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