Echte Hilfe bei Histaminintoleranz
Jeder von uns hatte wahrscheinlich schon unerwünschten Histamin-Kontakt. Denn wer versehentlich in Brennnessel greift, wird von deren feinen Brennhaare gestochen. In weiterer Folge dringt Histamin aus der Brennnessel in unsere Haut ein, wo es zur Schwellung (Quaddeln), Juckreiz und Schmerz führt.
Lästiger wird Histamin dann, wenn es im Alltag zur unangenehmen Dauerbelastung führt und eine echte Histaminintoleranz die Ursache sein könnte. Die Nase rinnt nach einem Gläschen Sekt, der Kopf schmerzt nach einer Pizza mit Käse und Tomatensauce. Ob dafür aber immer Histamin bzw. dessen gestörter Stoffwechsel schuld sein muss und was Betroffene am besten machen, kläre ich in diesem Blogbeitrag.
Was macht Histamin in unserem Körper?
Eines vorweg – Histamin ist grundsätzlich nicht böse. Im Gegenteil, es ist ein extrem wichtiges Gewebshormon, das unser Körper bei Bedarf in den Schleimhautzellen und Immunzellen selbst bildet. Folgende Hauptaufgaben hat der Botenstoff Histamin:
Histamin schützt uns vor Infektionen: Sobald der Körper mit einem unerwünschten Stoff in Kontakt kommt, schüttet er Histamin aus und es entsteht eine Abwehr-Reaktion. Dabei werden der Lymphfluss und die Durchblutung angeregt – oft sichtbar an einer Hautrötung.
Histamin regt die Säureproduktion im Magen an und/oder beschleunigt die Darmmotorik: Krankheitskeime, die wir von außen in unseren Magen-Darm-Trakt bekommen, werden unschädlich gemacht und ausgeschieden. Im schlimmsten Fall können dabei Durchfall oder Erbrechen auftreten.
Histamin reguliert den Schlaf-Wach-Rhythmus und den Appetit
Histamin unterstützt die Lernfähigkeit und das Gedächtnis
Histamin greift bei Stress ein: In einer plötzlichen Stressreaktion steigt der Cortisolspiegel. In der Steinzeit hieß es dann flüchten oder kämpfen. Dabei geht unser Stoffwechsel sehr fokussiert vor. Auch wenn heute nicht der Säbelzahntiger vor der Höhle steht, sondern wir vor einem wichtigen Meeting im Stau stehen oder der Autoschlüssel unauffindbar ist – die Reaktion ist dieselbe. Unser Körper bremst alle momentan nebensächlichen Vorgänge wie Immunsystem, Verdauung und Entgiftung und setzt sie auf Sparflamme. Die Folge können flaues Gefühl, evtl. sogar Durchfall sein.
Histamin kommt von innen UND außen
Neben der wichtigen Eigenproduktion im Körper, nehmen wir Histamin auch mit der Nahrung auf.
Je länger etwas reift, lagert oder gärt, desto höher ist der Histamingehalt. Dafür sind Bakterien, Schimmelpilze und Hefen verantwortlich, die in ihrem eigenen Stoffwechsel Histamin und andere sogenannte biogene Amine bilden.
In diesen Lebensmitteln versteckt sich viel Histamin
- lange gereifter Käse – z. B. Parmesan, Bergkäse
- Salami, Rohschinken und –würste
- Tomatenketchup und Tomatensaucen
- Sojasauce
- Bier, vor allem Weizenbier
- länger gelagerter (Schaum-)Wein
- Räucherfisch und Fischkonserven
- aufgewärmte Fisch- und Fleischgerichte
Übrigens: Histamin wird weder durch Erhitzen noch durch Räuchern oder Tiefkühlen zerstört!
Histaminintoleranz: Ungleichgewicht von Histamin und abbauenden Enzymen
Ist die Arbeit für Histamin erledigt, sollte es eigentlich rasch wieder abgebaut werden. Genauso sollte wir Histamin, welches wir essen und trinken, schnell mit Hilfe von Enzymen los werden.
Bei Histaminintoleranz funktioniert das nicht so reibungslos. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft vermutet man ein Ungleichgewicht zwischen
- Histaminaufnahme mit der Nahrung,
- Histaminbildung im Körper und
- Histaminabbau.
Vor allem die Produktion bzw. die Aktivität des nötigen Enzyms Diaminoxidase (DAO) kann bei Betroffenen reduziert sein. Wird dann zu viel Histamin von außen über die Nahrung zugeführt – und das vor allem in stressigen Zeiten – bringt das bildlich gesprochen das Fass zum Überlaufen.
Der sonst so nützliche Stoff häuft sich an und kann verschiedenste Beschwerden verursachen.
Histaminintoleranz: Vielfältige Symptome
Die Symptome bei der Histaminintoleranz sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Auftreten können im Prinzip alle in der Abbildung genannten Symptome.
Histaminintoleranz ist KEINE Allergie
Obwohl sich die Beschwerden meist ähneln, sind bei einer Histaminunverträglichkeit keine Antikörper im Spiel. Allergietests fallen deshalb negativ aus.
Wer reagiert oft empfindlich auf Histamin?
Überwiegend Frauen mittleren Alters – oft auch jene, die zu Migräne neigen – sind von dieser erhöhten Sensibilität gegenüber Histamin betroffen. Sehr wahrscheinlich gibt es auch eine hormonelle Komponente. Wir wissen heute, dass der Histaminspiegel vor dem Eisprung höher ist. Mediziner vermuten daher einen Zusammenhang mit Beschwerden wie Migräne, weichem Stuhl, und schlechtem Allgemeinbefinden rund um diese Tage.
Asthmatiker und Pollenallergiker sind ebenfalls häufiger von Histaminintoleranz betroffen, genauso wie Menschen, die viel Stress haben.
Ist ein durchlässiger Darm schuld?
Wie Histamin aus der Nahrung in den Blutkreislauf kommt, ist noch nicht ganz geklärt. Möglicherweise ist eine durchlässige Darmwand daran schuld. Dadurch könnten verstärkt Fremdstoffe ins Blut gelangen, die das Immunsystem aktivieren und damit die zusätzliche Histaminfreisetzung ankurbeln.
Warum Sie die meisten Tests vergessen können
Fakt ist, dass eine Histaminintoleranz häufiger vermutet wird als sie objektiv nachweisbar ist. Leider gibt es derzeit keine aussagekräftigen Möglichkeiten, mit denen man verlässlich auf Histaminintoleranz testen kann. Weder mit Stuhl-, Blut- oder Harntest ist nach aktuellem Forschungsstand eine klare Diagnose möglich.
Folgende Untersuchungen werden nach wie vor angeboten, die aber laut aktueller Leitlinie nicht aussagekräftig sind [1] :
- Messung des Enzyms Diaminoxidase (DAO) im Serum → nicht aussagekräftig, weil DAO-Wert im Blut keine Relevanz zu DAO im Darm hat. In Studien unterschieden sich die Werte bei Gesunden und Betroffenen nicht.
- Messung von Histamin im Blutplasma → nicht aussagekräftig, weil Studien ebenfalls keine Unterschiede zwischen Behandlungs- und Kontrollgruppe zeigten.
- Messung von Histamin im Stuhl → nicht aussagekräftig, weil auch Darmbakterien Histamin produzieren und dieses anscheinend sogar regulierend auf das Immunsystem wirkt.
- Histamin-Pricktest → wäre ein Hinweis auf eine Abbaustörung. Allerdings muss man beachten, dass es sich um einen Hauttest handelt. Ob sich die auf diesem Wege bestätigte Abbaustörung auch auf Histamin aus der Nahrung übertragen lässt ist ungewiss.
Echte Hilfe bei Fachärzt*innen und Diätolog*innen
Wenn Sie vermuten, Sie könnten histaminintolerant sein, gilt es zunächst Krankheiten auszuschließen, die ähnliche Symptome aufweisen und für die eine Diagnose möglich ist. In Frage kommen z. B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie, Mastzellenerkrankungen oder Allergien. Gehen Sie am besten zu einer/einem Fachärztin/Facharzt für Gastroenterologie für eine Abklärung.
Bleibt der Verdacht einer Histaminintoleranz bestehen, hilft das Führen eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs enorm. In dieses tragen Sie sorgfältig ein,
- was Sie wann essen und trinken,
- welche Medikamente Sie nehmen und
- welche Beschwerden wann auftreten.
Über ein solches Protokoll lässt sich herausfinden, ob das Essen und Trinken bestimmter Nahrungsmittel zweifellos mit bestimmten Symptomen einhergehen.
Vorsicht mit Histamin-Listen
Sehr wichtig ist, dass Sie sich entsprechend professionelle Hilfe bei einer Diätologin/einem Diätologen holen, statt willkürlich auf Tipps oder Listen aus dem Internet vertrauen. Oft meiden Betroffene bereits lange Zeit eine Vielzahl von Lebensmitteln. Sie schränken damit ihre Lebensqualität massiv ein und riskieren langfristig Nährstoffmängel. Doch das müsste gar nicht sein. Diverse Lebensmittellisten können höchstens als grobe Orientierung dienen, aber sind KEINE Grundlage für eine etwaige Therapie!
Ernährungstherapie, die bei Histaminintoleranz wirklich hilft
Ziel einer seriösen Therapie ist es die Beschwerden und die eingeschränkte Nahrungsmittelauswahl auf ein Minimum zu begrenzen. In drei Schritten können Sie langsam zu Ihrem normalen Essalltag zurückkehren.
1. Stufe = Karenzphase: Etwa zwei Wochen lang lassen Sie möglichst alle histaminreichen Lebensmittel weg und verbessern außerdem die Zusammensetzung der einzelnen Mahlzeiten. Keine Angst, auch in dieser Zeit gibt es eine Fülle von Lebensmitteln, die Sie weiterhin essen können.
2. Stufe = Testphase: In den nächsten sechs Wochen nehmen Sie in Absprache mit der Ernährungsfachkraft behutsam ein histaminhältiges Lebensmittel nach dem anderen wieder in den Essalltag auf. In dieser Zeit ist die professionelle Begleitung besonders wichtig, denn die Verträglichkeit ist höchst individuell und die Menge muss gut angepasst sein.
3. Stufe = Dauerernährung: Sie haben in der Testphase herausgefunden, welche Lebensmittel, Speisen oder Getränke Sie gut oder weniger gut vertragen. Vieles wovor Sie früher vielleicht Angst hatten, werden Sie in kleineren Mengen wieder gut vertragen. Für manches wird sich künftig Ersatz finden lassen. Hier ein paar Beispiele:
histaminreich | histaminarme Alternativen |
Tomatensauce | Paprikasauce |
Tomatenketchup | Ajvar (ohne Melanzani, ohne Essig) |
Essig | 100% Johannisbeer- oder Aroniasaft |
Cashew, Erdnüsse, Walnüsse | Mandeln, Macadamia, Haselnüsse |
Suppenwürfel | hefefreie Gemüsebrühe |
Milchschokolade | weiße Schokolade |
Himbeeren | Brombeeren |
Knoblauch | Knoblauchöl |
Proscuitto | Saunaschinken |
Räucherlachs | Tiefkühl-Lachs |
Sojasoße | Coco Aminos (Soße aus Kokosblüten-Nektar und Salz) |
Hartkäse wie Parmesan, Bergkäse | Geheimratskäse, Mozzarella |
Rotwein, Sekt, Prosecco | Verjus (Saft unreifer Trauben) oder junger, saurer Wein (z. B. Junker) |
Bedenken Sie, dass die Verträglichkeit immer individuell verschieden und auch abhängig von sonstigen Faktoren – vor allem Stress – ist.
Enzym-Ersatz für unbeschwertes Essen außer Haus
Wissen Sie im Restaurant oder am Urlaubsbuffet nicht so recht wie die Speisen zubereitet werden? Auch dafür gibt es eine Lösung, die vielen Geplagten hilft. Schließlich möchte man ja sozial nicht im Abseits stehen 😉
Damit das Histamin aus der Nahrung besser abgebaut wird, kann ein spezieller Enzym-Ersatz in Tablettenform helfen. Die enthaltene Diaminoxidase (DAO) unterstützt im Darm den Abbau von Nahrungshistamin, nicht aber den Abbau von Histamin aus dem Blut. Man nimmt einfach 1 Enzym-Tablette 15 Minuten vor der geplanten Mahlzeit.
Mein essenzielles Resümee:
- Histamin wird auch vom Körper selbst produziert. Nahrungshistamin ist oft nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, aber nicht die alleinige Ursache für Symptome.
- Bis heute gibt es keine verlässlichen Laborbefunde mit deren Hilfe sich eine Diagnose bestätigen oder ausschließen lässt.
- Anstatt sofort in eine histaminarme Diät zu beginnen, sollten Sie Ihre Beschwerden vom Facharzt abklären lassen. Oft ist eine andere Grundkrankheit die Ursache und nicht histaminreiche Nahrungsmittel. Danach unbedingt professionell von einer Diätologin/einem Diätologen begleiten lassen.
- Histamin-Tabellen können maximal eine grobe Orientierung sein, aber eignen sich nicht als Diätgrundlage.
- Es gibt Medikamente, die im Körper Histamin freisetzen oder die abbauenden Enzyme behindern (z. B. Magensäureblocker oder Hustenmittel). Am besten Sie fragen in Ihrer Apotheke nach Wechselwirkungen.
- Versuchen Sie die körpereigene Histaminproduktion zu reduzieren: Finden Sie Ihre Stressbalance, gönnen Sie sich Pausen und Bewegung an der frischen Luft, verzichten Sie auf Glutamat im Essen.
Kostenloses Live-Webinar
Wer mehr zum Thema Histaminintoleranz wissen möchte, kann am 26. November um 18.30h an einem Webinar zum Thema teilnehmen. Die Diätologin Martina Fischl erklärt hierbei genauer wie eine erfolgreiche Ernährungstherapie aufgebaut ist und beantwortet all Ihre persönlichen Fragen. Sie können sich kostenlos für dieses Webinar hier anmelden.
Ein Hinweis zur Transparenz:
Dieser Artikel ist in Kooperation mit STADA Austria entstanden. Der Inhalt dieses Beitrags und meine fachliche Meinung wurden dadurch nicht beeinflusst.