Fisch nachhaltig einkaufen: 3 wichtige Entscheidungshilfen
Fisch ist die mit Abstand beste Quelle für wertvolles Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren. Leider gibt es schon zu wenig davon. Überfischte Ozeane und umweltschädliche Aquakulturen mit Antibiotika-Einsatz verderben nicht nur uns den Appetit auf den so köstlichen Fisch. Vielleicht fragen auch Sie sich:
- Welchen Fisch kann ich nachhaltig einkaufen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben?
- Und bitte was bedeuten die vielen Siegel? Kann man ihnen vertrauen?
Im Gespräch mit dem WWF-Meeresbiologen Mag. Axel Hein haben sich drei wichtige Entscheidungshilfen für nachhaltigen Fischeinkauf und -genuss herauskristallisiert.
Absolut nachhaltig ist nur der absolute Verzicht
„Größte Verantwortung für die Meere zeigt man am besten, wenn man Fisch als nicht alltägliche Delikatesse sieht. Weltweit sind mehr als ein Drittel der Fischbestände überfischt, weitere 60 Prozent sind am Limit.
Das betrifft vor allem besonders begehrte Raubfische wie Thunfisch und Hai. Dazu kommt die Klimakrise, die viele Meeresarten zusätzlich bedroht“, betont Mag. Axel Hein.
Wussten Sie, dass Dosenthunfisch oft gar nicht zur Gattung der echten Thunfische gehört? Meistens kaufen wir in Dosen den Skipjack (= echter Bonito), der zur größeren Familie der Makrelen und Thunfische gehört.
Auch der Skipjack ist vielfach überfischt und derzeit empfiehlt der WWF nur Produkte, die aus dem westlichen Pazifik stammen. Dort sind die Bestände in Ordnung und einem Konsum steht nichts im Wege.
Hart aber wahr: Wer streng auf Nachhaltigkeit beim Fischgenuss setzt, schränkt den Genuss auf ein Minimum ein.
Für uns Ernährungswissenschafterinnen, die wir natürlich die wertvollen Inhaltstoffe der Flossentiere vor Augen haben, ist das keine optimale Lösung. Daher hier die drei Entscheidungshilfen für nachhaltigen Fischgenuss.
Entscheidungshilfe 1: Fisch nachhaltig einkaufen mit dem WWF-Fischratgeber
Axel Hein: „In Wahrheit kann man erst dann eine bewusste Kaufentscheidung treffen, wenn man sich über die Fischart, das Fanggebiet und die Fangmethode informiert.“
Weil keiner von uns – Sie bestimmt auch nicht – die Zeit hat, schnell eine Ausbildung zum Meeresbiologen zu machen, ist die Webseite des WWF eine dringende Empfehlung. Dort finden Sie den Einkaufratgeber Fisch [1], der mittels Ampelfarben erläutert,
- welcher Fisch eine gute Wahl ist (grün),
- welcher zweite Wahl sein sollte (gelb) und
- wovon Sie aus ökologischen Gründen besser die Finger lassen (rot).
Manche Fischarten tragen zwei oder gar alle drei Farben. Dann muss man genauer hinsehen aus welchem Fanggebiet er kommt und wie er gefangen wurde. Zum Beispiel gilt für Wildlachs:
gute Wahl: Wildlachs aus dem Nordostpazifik vor Alaska
zweite Wahl: Wildlachs aus dem Nordostpazifik vor Kanada, sowie aus dem Nordwestpazifik (mit Umschließungsnetzen und Fallen gefangen)
besser nicht: Wildlachs aus dem Nordwestpazifik, der mit Stell- bzw. Kiemennetzen gefangen wurde
Auf der Verpackung zu finden: Artname, Fanggebiet und –methode
Woher der Fisch stammt, ist auf der Produktverpackung ersichtlich. Ebenso Artname, Fanggebiet sowie Fangmethode. Nur mit diesen drei Informationen können Sie dann im WWF-Fischratgeber kontrollieren, ob ein Produkt empfehlenswert oder zu vermeiden ist.
Bei Thunfisch gilt: Wurde er mit Angelrute („pole&line“) oder Handleine gefangen, ist er immer empfehlenswert. Bei dieser Fangmethode ist die Fangmenge geringer und es findet eine geringere Befischung statt. Abgesehen davon sind die beiden Fangmethoden sehr selektiv und ungewollter Beifang seltener.
Der österreichische Handel hat reagiert
Laut Axel Hein hat der österreichische Handel dem Druck der Konsument*innen sowie der Umweltschutzorganisationen wie dem WWF nachgegeben. So stammt zum Beispiel Wildlachs, der bei uns im Supermarkt erhältlich ist, überwiegend aus echt nachhaltiger Fischerei. Er kommt meist aus Alaska, wo die Fischerei streng überwacht wird. Maximale Fangquoten garantieren eine stabile Befischung, so dass sich die Bestände wieder erholen können. Diesen Wildlachs könne man mit gutem Gewissen genießen, so der WWF-Meeresbiologe.
Fisch aus Aquakultur ist nur mit Bio-Zertifizierung nachhaltig
Wenn Sie jetzt denken, dass Fischfarmen (=Aquakulturen) das Problem leergefischter Meere lösen könnten, müssen Sie sehr genau hinschauen. Das Futter, das z. B. Raubfische wie der Lachs oder der Wolfsbarsch bekommen, wird nur zum Teil aus Fischresten hergestellt. Zum Teil werden dafür wiederum Fische extra im Ozean gefangen. Im Extremfall sind für die Fütterung bei der Mast von 1 kg Thunfisch bis zu 20 kg Wildfisch notwendig.
Bio bitte auch bei Zucht-Lachs
In der Lachs-Zucht hat sich hier jedoch einiges zum Besseren gewandelt. Heute benötigt man für die Produktion von 1 kg Lachs nur mehr rund 1,2 kg Futterfisch. Wer zudem zu Bio-Lachs greift, geht sicher, dass im Fischfutter enthaltenes Fischmehl und -öl aus Resten und Abschnitten der Filettierindustrie gewonnen werden. Das ist ein klares (Kauf)-Argument, um zu Fisch und Meeresfrüchten aus Bio-Produktion zu greifen.
Kaum Medikamenteneinsatz in der Bio-Produktion
Zudem sind die meisten Fische, wenn sie auf so engem Raum leben, krankheitsanfälliger. So kann sich z. B. ein Parasitenbefall schnell ausbreiten. Damit der Einsatz von Medikamenten nur die Ausnahme ist, muss die Gesundheit des Besatzes sehr genau überwacht werden. In den letzten Jahren hat sich hier vor allem in Europa viel verbessert.
Die Industrie hat erkannt, dass der prophylaktische Einsatz von z. B. Antibiotika kontraproduktiv ist. Stattdessen liegt das Augenmerk nun vermehrt auf der Fitness der jeweils gezüchteten Art. Gerade bei der Bio-Produktion wird hier auf verschiedene Futterzusatzstoffe und Vitaminkomplexe zurückgegriffen, die die Widerstandsfähigkeit der Zuchttiere stärken.
Schauen Sie bei Aquakultur genauer hin
Nicht jede Fischart braucht Fischmehl für die Aufzucht. So kommt der heimische Karpfen gänzlich ohne Fischmehl und -öl aus. Er wird nur mit Getreide gefüttert und ernährt sich sonst von dem, was er im Teich vorfindet (Insektenlarven, Würmer, etc.). Karpfen aus Österreich, am besten in Bio-Qualität, darf daher gerne am Weihnachtsteller landen.
Hinzu kommt, dass manche Fischarten so robust sind, dass sie selbst bei hoher Populationsdichte kaum krank werden. Das macht wiederum den Einsatz von Medikamenten überflüssig. Hierzu gehört u. a. der Pangasius, der darüber hinaus ein sehr guter Futterverwerter ist. Doch seit eine Doku etwas einseitig über Pangasius berichtet hat, ist Herrn und Frau Österreicher der Appetit auf Pangasius vergangen. Wir nehmen uns da nicht aus. Dabei wäre gerade Pangasius aus zertifizierten Farmen (ASC oder BIO) laut Mag. Hein eine gute Wahl.
In Österreich wird eine verwandte Art des Pangasius, der Afrikanische Wels, in sogenannten Kreislaufanlagen gezüchtet. Auch dieser Fisch eignet sich als Alternative zu importiertem Wildfisch.
Es muss aber nicht immer Fisch sein. Die Miesmuschel zum Beispiel wird auch gezüchtet, benötigt keinerlei Futter, da sie Plankton filtriert und die Produktion ist weitgehend unbedenklich. Sie kann zudem einen – wenn auch nur kleinen – Beitrag in Sachen Omega-3 Fettsäuren liefern.
Entscheidungshilfe 2: Je näher zu Österreich, desto nachhaltiger kauft man
Nonplusultra in Bezug auf Nachhaltigkeit ist natürlich heimischer Bio-Fisch. So sind etwa Karpfen oder Forelle aus Bio-Aquakultur die beste Wahl. Aufgrund der kurzen Transportwege ist der CO2-Fußabdruck dieser Fische sehr klein. Da die heimische Produktion mit rund 4.000 Tonnen jedoch nur etwa 7 % des heimischen Bedarfs decken kann, ist rechnerisch ab Mitte Jänner Schluss. Im Jahr 2020 mussten rund 70.000 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte importiert werden, um den heimischen Hunger nach Fisch zu stillen.
Auch Wild-Fisch aus den heimischen Seen können Sie weitgehend bedenkenlos essen, nur trägt die Menge relativ wenig zur Versorgung des heimischen Bedarfs bei.
Entscheidungshilfe 3: Fisch nachhaltig einkaufen mit Hilfe von Gütesiegeln
Natürlich soll man Siegeln nicht blind vertrauen, denn hinter manchen stehen ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Daher gilt: Fischsiegel ist nicht gleich Fischsiegel. Sie unterscheiden sich massiv in ihren Kriterien und Anforderungen an die Fischerei oder Produktion.
Mag. Axel Hein meint zu diesem Thema: „Trotz aller Kritik und dem berechtigten Ruf nach Verbesserungen bieten Umweltsiegel beim Einkaufen eine gute erste Orientierung. Denn zumindest sind dadurch Mindeststandards beim Fischfang oder der Produktion garantiert. Außerdem stellen Zertifizierungen eine legale und rückverfolgbare Lieferkette sicher und sind damit nicht-zertifizierten Produkten vorzuziehen.“
MSC-Siegel: Bekanntestes Siegel für Wildfisch. MSC steht für Marine Stewardship Council, was so viel bedeutet wie Rat zur Bewahrung der Meere. Es wurde 1997 von Unilever in Kooperation mit dem WWF ins Leben gerufen. Dieses Siegel steht aktuell massiv in der Kritik, weil die zertifizierten Fischereien die hohen WWF-Ansprüche an Umweltverträglichkeit nicht immer erfüllen. Eine Überarbeitung der Standards ist geplant. | |
ASC-Siegel: Dieses Siegel gibt es für Fische und Meeresfrüchte aus Aquakultur. ASC steht für Aquaculture Stewardship Council. Es stellt sicher, dass z. B. Fischfütterung und Medikamenteneinsatz besser geregelt werden. Ziel des ASC ist es, die konventionelle Aquakultur auf globaler Ebene schrittweise ökologisch und sozial nachhaltiger zu machen. Neben Bio ist ASC aus ökologischer Sicht für Zucht das derzeit stärkste Label auf dem Markt. | |
EU-Bio-Logo: Es kennzeichnet Fischprodukte aus ökologischen Aquakulturbetrieben, die den Standards zur ökologischen Bewirtschaftung der Europäischen Union (artgerechte Haltung, Begrenzung von Zusatzstoffen und Antibiotika) entsprechen. Bio ist eine sehr empfehlenswerte Nische, die derzeit aber leider nur 0,5 Prozent des globalen Marktes ausmacht. |
Bei aller Kritik am MSC-Siegel meint Hein: „Besser das MSC-Siegel als gar keines. Denn vor allem jene fast 90 Prozent nicht-zertifizierte Fischereien sind es, die den größten Raubbau an unseren Meeren zu verantworten haben.“
Fisch nachhaltig einkaufen – unser essenzielles Resümee
Fisch ist aufgrund von Eiweiß, Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren und Selen ein sehr gesundes und wertvolles Lebensmittel. Doch die weltweiten Wildbestände schrumpfen. Sehen wir Fisch daher als Luxusprodukt und genießen ihn bewusst selten – maximal 1 x pro Woche – und in Maßen.
- Werfen Sie vor dem nächsten Fischeinkauf am besten einen Blick in den Fischeinkaufsratgeber des WWF [2].
- Laut diesem sind beispielsweise Wildlachs aus dem Pazifik mit MSC-Siegel oder Zuchtlachs mit ASC- oder Bio-Gütesiegel und Sardinen oder Hering aus dem Atlantik eine gute Wahl.
- Alternativ kann man auch mal zu Miesmuscheln oder gar zu Algen greifen. Die Fisch-Omega-3 Fettsäuren stammen ursprünglich aus Algen. Sie landen erst über die Nahrungskette im Fisch. Algen kann man entweder in Form eines Supplements kaufen bzw. bekommt man sie in Asia-Läden und teilweise sogar in österreichischen Supermärkten.
- Auch Zuchtfische aus Europa (Karpfen, Wels, Forelle) sind empfehlenswert.
- Als umweltbewusster Genießer lassen Sie aber besser die Finger von Hai, Schwertfisch, Aal, Seeteufel und Zuchtlachs aus Chile.
- Achten Sie auf vertrauenswürdige Umweltsiegel. Diese gewährleisten die Rückverfolgbarkeit des Produktes. Für Fisch aus Zuchten sind dies Bio-Labels wie Bio Austria, Naturland und EU Bio, sowie ASC (Aquaculture Stewardship Council) für konventionelle Zucht. Für Wildfisch ist das MSC-Siegel derzeit noch die umfassendste Orientierungshilfe.
Wie stehen Sie eigentlich zum Thema Fischkonsum? Verraten Sie es uns in den Kommentaren!
2 Kommentare
Vielen Dank für den interessanten und informativen Artikel über Fisch! Leider wird fast ausschließlich über Meeresfisch geschrieben! Gerade bei uns im Salzkammergut gibt es hervorragend Fisch aus heimischen Gewässern! Saisonal, regional, wertvoll für die Gesundheit, kalorienbewusst und umweltfreundlich! Ideal für eine bewusste Ernährung!
Es freut uns, dass Ihnen unser Artikel gefällt und vielen Dank für Ihr wertvolles Feedback. Vielleicht ist es ein bisschen untergegangen, aber wir sind ganz bei Ihnen: Heimischen Fisch kann man in Bezug auf Nachhaltigkeit bedenkenlos essen. Nur leider trägt die Menge relativ wenig zur Versorgung des heimischen Bedarfs bei. Der meiste Fisch, der bei uns gegessen wird, stammt aus dem Meer.